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Birch by Isager - mein persönlicher Mount Everest

Ich weiß tatsächlich überhaupt nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen. Aber ich möchte Euch die Geschichte zu diesem Strickstück erzählen. Und das gleich aus vielerlei Gründen: zum einen ist diese Strickjacke mein persönliches Lehrstück gewesen (in oh so ziemlich jeglicher Hinsicht), zum anderen, weil ich unglaublich stolz bin, sie letztlich dann doch so toll hinbekommen zu haben und am allermeisten, um Euch Strickerinnen zu zeigen, dass nicht immer alles glatt läuft.

 

Aber fangen wir ganz vorne an.

Dem dänischen Label Isager folge ich schon seit vielen Jahren, weil sie sowohl traumhafte Garne produzieren, als auch Helga Isager, die Tochter der Firmengründerin Marianne Isager, phantastische Anleitungen herausbringt. 

In die Anleitung der Strickjacke Birch aus dem Buch "The Artisan by Helga Isager", erschienen 2017, verliebte ich mich augenblicklich. Oversize, doppelfädig gestrickt, leicht und zart.

Im August des gleichen Jahres machten wir vor unserer Überfahrt nach Norwegen noch ein paar Tage in Tversted halt - versteht sich von selbst, dass ich dem Ladenlokal von Isager unbedingt einen Besuch abstatten musste, oder?

Die Farbzusammenstellung für den Birch hatte ich vor meinem inneren Auge schon lange klar und so wanderte die Wolle direkt in meinen Einkaufskorb.

 

Dann passierte eine ganze Weile ertmal Nichts *hüstel*. 

Während ich noch andere Projekte für die kleine Muggel auf den Nadeln hatte, lebte ich in dieser Zeit nur von einer Sache: Kaffee. Und zwar literweise, weil die entsetzlichen Nächte mit schlafverweigerndem Kind jegliches Leben und Energie aus mir zogen. Für ein solches Mammutprojekt wäre ich schlichtweg nicht in der Lage gewesen. Vermasseln wäre vorprogrammiert.

Im April 2018 begann ich dann tatsächlich in den weiterhin sehr wachen Nächten mit dem Traumstricken: Ich stellte mir vor, wie sich die Wolle wohl anfühlen würde, wie sich das Strickstück zu etwas ganz Wundervollem entwickeln könnte.

 

Alter Schwede, was sollte ich mich täuschen.

 

Ich begann mit der Maschenprobe (die ausgezeichnet passte), strickte die ersten Reihen kraus rechts und begab mich in diesen meditativen Rhythmus.  Kopf aus , Nadeln an!

Immer wieder las ich auf Ravelry bei anderen Strickerinnen, was für eine unglaublich komplizierte und ja, ich muss es wirklich sagen, schlechte Anleitung dieser Birch Cardigan doch sei. In meiner überheblichen Naivität dachte ich nur: Kraus rechts in Reihen mit ein paar Zunahmen hier und da, das kann ja wohl nicht so schwer sein.

Aber holla. I ate my words! 

Ganz schnell merkte ich, dass ich nur mit einer Strichliste oder gar Excel- Tabelle den Überblick würde behalten können, weil Helga so unglaublich schwere Konstruktionen entwirft, das man gar nicht mehr weiß, wo beim Stricken oben und unten ist. 

Neben dem Querstricken, den Zu- und Abnahmen, verkürzten Reihen, besonderen Maschentechniken, dem gleichzeitigen Stilllegen von Maschen und dem Anschlagen neuer Maschen wurde ich echt kopflos.

Und immer wieder hab ich die Strickjacke aus dem Boden ausgebreitet, mich davor gestellt und mir gedacht: "Judith, was hast Du Dir dabei denn bitte gedacht? Ich klopp das Ding in die Tonne."

 

Und magischerweise wurde es dann doch irgendwann (nach unendlichen Stunden des Auftrennens und neu Strickens) eine fertige Strickjacke daraus. Ich hatte meinen persönlichen Mount Everest erklommen.

Und was soll ich sagen? Ich liebe diese Strickjacke.

Sie ist weich, hat eine mega Konstruktion, ist locker und lässig, wärmt, aber ist nicht zu warm.

Eine wirklich tolle Kombination der Wollqualitäten [Isager Spinni (100 % Wolle, 50g = 600 m) und Isager Silk Mohair (75 % Super Kid Mohair, 25 % Seide, 50 g = 848 m)].

 

Gestrickt habe ich meine Birch in den Farben Spinni Tweed light grey und Silk Mohair No. 62.

Verwendet habe ich weiterhin: Rundstricknadel 3,5 mm (für die ersten und letzten 5 cm an den Ärmeln; Blenden im Muster), Rundstricknadel 4 mm für den kraus rechts gestrickten Teil.

Mehrere Maschenmarkierer, Hilfsnadeln und extra Garn.

Maßband, Wollnadel und Schere

Tabelle für die Zu- bzw. Abnahmen (Strichliste ist ebenfalls möglich)

 

Ihr überlegt, Euch diese wunderbare Strickjacke zu stricken?

Traut Euch. Ihr werdet fluchen und Ihr werdet sie hin und wieder mal in die Ecke schmeißen wollen. 

Aber bleibt dran. Es lohnt sich wirklich.

 

Ach, und kleine Anekdote am Rande: auf der diesjährigen H&H in Köln durfte ich Helga persönlich kennenlernen und wir haben uns eine Weile an ihrem Stand unterhalten. Irgendwann streicht sie mir über den Ärmel der Strickjacke, lächelt mich an, zwinkert und sagt: "war eine scheiss Arbeit, oder?"

 

Viel Freude beim Stricken Ihr Lieben!

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Melanie (Mittwoch, 31 Juli 2019 20:50)

    Endlich hab ich es geschafft, deinen Blogbeitrag zu lesen! � Hab ja damals schon unter deinem Endergebnis-Bild bei Instagram geschrieben, dass ich die Jacke auch auf meiner Liste im Kopf habe. Sie ist wirklich wunderschön! � Aber ehrlich gesagt, schreckt mich die Anleitung immer noch ab. Ich stricke doch so gerne kopflos � Wie gut, dass das ein zeitloses Stück ist. Kann ich also auch noch später stricken! Und vielleicht kann ich sie Ende September mal live an dir sehen und streicheln? �

    Wollte dir übrigens auch noch sagen, dass ich es toll finde, dass du solche Beiträge weiterhin Posten willst. Super interessant geschrieben, da erfährt man endlich mal mehr zu Anleitungen. �

  • #2

    Jacqueline (Donnerstag, 01 August 2019 10:15)

    Liebe Judith, deine Jacke ist wirklich wunderschön geworden und du kannst zurecht stolz auf dich sein. Einen Mount Everest besteigt man schließlich nicht jeden Tag. ;) Ich habe die Arbeit an der Jacke ja ein wenig miterleben dürfen und kann dir sagen „Hut ab“ dass du so tapfer durchgehalten hast. Ich hätte tatsächlich längst aufgegeben und das gute Stück nie zum Ende gebracht. Dein Durchhalten hat sich ausgezahlt und du trägst nun ein wunderschönes Strickstück das nicht viele ihr Eigen nennen können. So schön die Birch ist, ich weiß einfach, dass ich sie nicht Stricken kann, weil mir schlichtweg die Erfahrung für ein solches Mammutprojekt fehlt und ich abends auch nur noch „leichte Kost“ verarbeiten kann ;)

    Ich wünsche dir aber weiterhin ganz viel Freude mit deiner wunderschönen Jacke!
    Liebe Grüße, Jacqueline

  • #3

    Marie (Montag, 29 Januar 2024 16:47)

    Liebe Judith, da ich mir eine Instaß-Pause verschrieben habe, mir deine Posts aber immer besonders gut gefallen haben, bin ich nun auf deinem Blog gelandet.
    Diese Jacke ist ein Traum und deine Beschreibung dieses Projekts macht Lust und schreckt gleichermaßen ab. Da ich aber eine empfohlene Garnempfehlung in ausreichender Menge im Stash habe, werde ich es gemeinsam mit einer Freundin angehen.
    Es wäre toll, wenn es mehr dieser ehrlichen authentischen Posts geben würde, wie Du sie verfasst! Liebe Grüße, Marie