Prozess oder Produkt?


Ich liebe es, während des Strickens Podcasts oder Hörbücher zu hören - hier jetzt meine Präferenzen zu notieren, würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen, aber wenn Interesse besteht, kann ich hierzu gerne mal einen anderen Artikel schreiben. 

 

Besonders gerne lausche ich dabei Strickpodcasts, muss allerdings gestehen, noch keinen deutschsprachigen gefunden zu haben, der mich wirklich hinter dem Ofen vorlockt. Komisch, oder? Habt ihr da einen Tipp?

Über die Jahre habe ich vor allem die amerikanischen Podcasts lieben gelernt und immer wieder kommt dabei dieses eine Thema auf:

 

Process or product knitter?

 

Hätte ich vor einigen Jahren noch sofort Produkt geschrien, ist es heute vor allem der Prozess, den ich so sehr liebe und den mir kein anderes Hobby erfüllen kann. 

Waren es früher wirklich die fertigen Teile, die mich unglaublich stolz und glücklich gemacht haben, ist es jetzt deren Werdegang und Entstehung.

Es geht mir nicht mehr darum, in möglichst kurzer Zeit eine Vielzahl an Anleitungen nachzustricken, sondern mich wirklich mit einem Stück zu be'fassen'.

Und das beginnt weit vor dem eigentlichen Stricken:

ich liebe es, online oder in Büchern nach Anleitungen zu stöbern, schaue in Foren und im Freundeskreis, was dort gerade auf den Nadeln liegt, lasse mich im wöchentlichen Strickkreis oder bei der Stricknacht inspirieren.

Und dann kommt der eigentlich wichtigste Schritt, den ich lange Zeit unterschätzt habe (bzw. nicht wahrhaben wollte):

ist diese Anleitung auch wirklich etwas für MICH? Sieht das nicht einfach nur gut aus, sondern kann ICH mir wirklich vorstellen, das auch zu tragen? Passt es zu meiner Körperform, passt es zu meinem Kleiderschrank? Denn sind wir ehrlich: nicht jede Strickjacke passt an jeden Körper, nicht jede Mütze schmeichelt der eigenen Kopfform, nicht jeder Pulli steht jeder Oberweite.

Dann begebe ich mich völlig verliebt auf die Suche nach dem geeigneten Garn. Und ja, ich gestehe mit Scham: viel seltener als ich sollte, schaue ich dabei, was sich schon in meinem Garnlager befindet. 

Nach wie vor tue ich mir sehr schwer mit der Online Bestellung von Wolle - ich brauche Haptik: wie fühlt sich Merino an? Will ich Alpakka an meinem Hals? Ist das Garn luftig oder kratzig? Passt die Farbe auch wirklich zu mir? (Bei der Madame geht ja, Gott sei Dank, noch jede erdenkliche Farbe)

Vor allem bei mehrfarbigen Projekten liegt doch der Spaß darin, Farbkombinationen auszuprobieren und unterschiedliche Töne nebeneinander liegend wirken zu lassen. 

Geht es Euch da ähnlich?

Und dann, wenn die richtige Anleitung gefunden ist, die perfekte Wolle bereit liegt, der Kaffee heiß ist, das Kind schläft und die MASCHENPROBE gestrickt, gewaschen und geblockt wurde (!!!), dann kann ich anfangen.

Tauche ein in die ersten zaghaften Maschen, fühle ob die Holz-, Bambus- oder Metallnadel mit der Wolle zusammenpassen, stricke Reihe um Reihe und freue mich entweder auf kurzweilige, leichte Muster, oder auf komplizierte Diagramme. 

Jede Variante hat zu einer gewissen Zeit ihren Platz, ihre Berechtigung. 

Zu jeder Stimmung passt eine bestimmte Masche.

 

Und so habe ich gelernt, dass es der Prozess des Strickens ist, der mich mit Glück erfüllt, besänftigt oder zur Ruhe bringt. 

Ich kann in mein Stricken all meine Gedanken packen, kann abschalten, Geschichten lauschen, nebenbei Gesprächen folgen, komplett bei mir sein. Gerade als arbeitende Mama von einem Kleinkind sind es kostbare Minuten im hektischen Alltag, die nur MIR gehören. Meinen schaffenden Händen, meinem kreativen Kopf. Und ich liebe es.

 

Ist Stricken nicht ein wundervoller Wegbegleiter?

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    MarenJ (Freitag, 09 März 2018 17:54)

    Ganz genau SO!

  • #2

    Nicole D. (Freitag, 09 März 2018 18:18)

    Mir geht es genauso!
    Ich habe auch ein Kleinkind zu Hause, der Kleine Wirbelwind kostet viel meiner Energie. Das Stricken bietet mir einfach die Möglichkeit, meine Energiespeicher wieder aufzufüllen. Es bietet mir pure Entspannung, aber trotzdem kann ich darin auch Herausforderungen und Neues finden. Das Produkt ist mittlerweile vor allem für die Empfänger die Hauptsache :)

  • #3

    Jacqueline (Freitag, 09 März 2018 20:20)

    Liebe Judith, du hast mir aus dem Herzen geschrieben, mir geht es genauso. Ich genieße tatsächlich das Stricken als Prozess und freue mich sicherlich auch über das fertige Ergebnis aber es geht mir nicht darum so schnell wie möglich fertig zu werden sondern zu genießen und zu entspannen. Nebenbei ertrage ich dann auch jedes Fußballspiel meines Mannes und so hängt auch der Haussegen nicht mehr schief weil wir über das Fernsehprogramm streiten. Mit Hörbüchern habe ich noch nicht begonnen aber ich schaue nebenbei gern fern weil dann der Film oder die Serie wie ein Hörspiel aufgenommen wird und ich inzwischen richtig trainiert bin die Stimmen der Protagonisten einzuprägen. Viel Spaß weiterhin beim tollsten Hobby der Welt! Ich kann mir ein Leben ohne Stricken nicht mehr vorstellen. Liebe Grüße Jacqueline

  • #4

    Ducathi (Freitag, 20 April 2018 20:09)

    Hast Du ganz wundervoll geschrieben, liebe Judith. Ich stricke manchmal stundenlang vor mich hin um eine Idee auszuprobieren. Und es macht mir gar nichts aus, dass es im Prinzip sinnentleert ist, eben nicht ergebnisorientiert. Aber immer bringt es uns weiter, nicht wahr? Und dass dies nie ausgeschöpft sein kann, ist das wundervolle an diesem Hobby.